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Französisch

Éric Pessan zu Besuch am Gemont

8. November 2018

« Bonjour, je m’appelle Éric Pessan. », begann der französische Schriftsteller seine Vorstellung vor unserem Leistungskurs Französisch. »Éric Pessan?«, wird sich die eine oder andere Leserin nun fragen, doch für uns ist er kein Unbekannter. Der Autor ist mit seinem Jugendroman Dans la forêt de Hokkaido beim diesjährigen Prix des lycéens allemands vertreten. Zudem nehmen wir gemeinsam mit acht anderen Gruppen aus aller Welt an einem Literaturprojekt teil, das von ihm geleitet wird. Auf seiner vom Institut français und der französischen Botschaft organisierten Autorenreise macht Pessan nun an verschiedenen Schulen in Deutschland Halt, so auch bei uns.

Die Idee für Dans la forêt de Hokkaido kam Pessan im Sommer 2016, als er eigentlich dabei war, über Don Quijote zu schreiben. In einer Zeitung las er bei den Kurzmeldungen aus aller Welt von einem japanischen Jungen, Yamato Tanooka, der, nachdem er seine Eltern während einer Autofahrt ziemlich verärgert hatte, von eben diesen einfach ausgesetzt wurde. Als die Eltern wenige Minuten später zurückkehrten, um ihr nun hoffentlich zur Vernunft gekommenes Kind wieder abzuholen, war der Siebenjährige spurlos verschwunden. Auch im Sommer sind die Nächte im Wald von Hokkaido sehr kalt und nirgendwo auf der Welt gibt es eine höhere Dichte wilder Bären als hier. Für Pessan, der schon seit längerem die Idee hatte, Julie, eine Nebenfigur aus einem seiner früheren Romane, wieder aufleben zu lassen, fügte sich alles zu einem Roman zusammen, der Fiktion und reale Elemente vereint. Glücklicherweise wanderte zu der Zeit eine Bekannte Pessans durch eben jenen schicksalshaften Wald in Hokkaido und versorgte den Autor mit Fotos, Videos und den Beschreibungen allerlei Eindrücke. Auch Yamato hatte Glück: Er wurde nach sechs Tagen in einer verlassenen Militärbaracke gefunden.
Drei Monate dauerte die Arbeit an dem Roman insgesamt, bei dem ihm auch seine aus Tokio stammende Nachbarin mit zusätzlichen Informationen aus japanischen Medien versorgte.

Zum Schreiben ist Pessan durchs Lesen, durch die Freude am Lesen gekommen. In seiner Jugend gab es kein Netflix. In Frankreich ging just der dritte Fernsehsender auf Sendung. Falls man einen Film sehen sollte, griff man zu VHS-Kassetten, die man (aus heutiger Sicht umständlich) in Videotheken ausleihen und vor der Abgabe wieder zurückspulen musste. Der Zugang zu Büchern war da viel einfacher: In französischen Schulen gibt es das sogenannte CDI, eine Biblio- und Mediathek. Wer gern liest, schreibt auch irgendwann. Zudem sei es eine sehr preiswerte Beschäftigung, so Pessan. Alles was man benötige, seien Stift und Papier, kein teures Instrument wie beispielsweise bei Musikunterricht. Im Alter von 19 Jahren schickte Pessan seinen ersten Roman an einen Verlag. Der war natürlich noch nicht gut und wurde nicht veröffentlicht. Nach seinem dritten Roman nahm er eine sechsmonatige Auszeit von der Arbeit, die allerdings bis heute anhält. Schriftsteller zu sein ist nun sein Hauptberuf.

Im Rahmen des internationalen Literaturprojektes, in dessen erster Etappe wir bewusst die Welt um uns beobachtet haben, ist ein neuer Arbeitsauftrag von ihm, sich über etwas zu wundern, über etwas erstaunt zu sein, so wie jemand, für den unser Alltägliches überhaupt nicht selbstverständlich ist. Wir haben ihn natürlich gefragt, was ihn an Berlin erstaunt und verwundert. Zum einen war er bei seinem ersten Berlinbesuch vor 21 Jahren von den großen Straßen, den großen Gebäuden und den Parks, dem vielen Grün erstaunt, zum anderen aber auch von der Unkompliziertheit, in Berlin etwas mit Kleinkindern zu unternehmen und auch Fahrrad zu fahren. Bei diesem Berlinbesuch fielen ihm die kleinen Plaketten an den Bäumen auf, jeder Baum trägt seine individuelle Nummer.

Was uns an Berlin und unserem Alltag hier erstaunt, werden wir demnächst auf der Seite des Literaturprojektes veröffentlichen. Doch bis dahin: Merci de votre visite !

(Das Foto wurde von Capucine Valois angefertigt und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Es zeigt Éric Pessan vor dem Maison de France/Institut français Berlin.)

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